Ich verliess die Gilde und schlenderte die Gassen herunter. Egal, wo ich bin, ich gehe immer erst zum Markt, denn dort sind die Orte am lebendigsten und warum sollte Tarcania hier eine Ausnahme sein.

Ich liebe es, auf Reisen in die Farben und Gerüche einzutauchen, auch wenn es manchmal nicht gerade der Nase schmeichelt oder für europäische Augen sehr gewöhnungsbedürftig ist. Ich erinnere mich an die arabischen Suqs mit ihren Fleischern und den Kamelköpfen, die an den Haken hängen. Je klarer die Augen, desto frischer hat mir damals mein Führer erklärt, aber ich muss nicht alles probieren. Auch wenn es im Allgemeinen als unhöflich gilt, angebotenes Essen abzulehnen, wenn man als Begründung religiöse Gründe angibt, wird es meist akzeptiert. Das war für mich oft genug die Rettung vor Kamel, Käfern und undefinierbaren Gerichten.

In Tarcania war der Markt, der sich durch die Gassen zog, bunt und prächtig. Es machte wirklich Spass, die getrockneten Pfirsiche zu probieren, die gerösteten Pistazien zu knacken oder einfach bei einem Glas gewürzten Wein eine kleine Pause zu machen. Es gab auch viele Früchte, die ich nicht kannte. Offensichtlich sah man mir die Fremde an und ab und zu gab mir ein Händler ein kleines Stück zum Probieren. Am besten schmeckte mir eine Frucht mit lila Schale und weißem Fruchtfleisch – süss, saftig, aber gleichzeitig ein wenig säuerlich. Ich habe den Namen vergessen, aber nie wieder den Geschmack. Am nächsten kam dem die Drachenfrucht, die ich später in Mexiko gegessen habe.

Ich hatte noch die Münzen von Marcus, aber ich musste unbedingt selbst irgendwie zu Geld kommen. Ich hoffte, die Gilde würde mich dabei unterstützen. Ich nahm mir vor, Sereina zu fragen, wenn ich wieder zurück wäre.

Natürlich zogen mich auch die unterschiedlichen Tarot-Decks an. Es gab so viele verschiedene, aber immer war die Grundidee dieselbe. Es war ganz gut, dass ich kaum Geld hatte, sonst wäre ich mit mindestens 3 oder 4 neuen Decks in die Gilde zurückgekehrt. Eines hat mir besonders gefallen – der Narr, meine Lieblingskarte, war eine Frau und sie hatte keinen Hund als Begleiter, sondern eine Katze.

Zuhause in Falkenstein hatten wir natürlich Hunde, aber auch Katzen, die im Kornspeicher lebten und die Mäuse in Schach hielten. Ich liebte ihre Unabhängigkeit, aber sie waren halb wild und liessen sich leider nicht streicheln. Das habe ich etwas bedauert, aber ich bewunderte ihre Anmut und ihr Selbstbewusstsein.

Ich liess mich durch die Strassen und Gassen von Tarcania treiben und fing langsam an, mich an den Gedanken zu gewöhnen, hier noch einige Zeit zu bleiben. Ich hatte wohl ohnehin keine andere Wahl, wenn ich Leonoras Worten glauben durfte, also warum sollte ich mir zu viele Gedanken über etwas machen, was ich nicht ändern konnte.

Die Marktstände wurden immer weniger, je weiter unten ich in der Stadt ankam. Dafür gab es mehr Wohnhäuser und Schenken. Ich sah Frauen in Bottichen die Wäsche waschen und Kinder spielten mit Reifen, Bällen oder kleinen Puppen, die aus Stoffresten genäht waren. In der ganzen Stadt herrschte eine friedliche und angenehme Atmosphäre. Ich fühlte mich wirklich wohl in Tarcania und langsam überwog bei mir mein gewohnter Entdeckergeist.

Der Nachmittag wich langsam dem frühen Abend und ich erinnerte mich daran, dass ich mich zu Sonnenuntergang mit Sereina im Speisesaal treffen wollte. Doch dann hörte ich ein klägliches Maunzen, als ich an einer schmalen Gasse vorüberlief. Ich konnte nicht einfach weitergehen. Das Tarot-Bild der Närrin mit der Katze kam mir wieder in den Sinn.

Ich bog in die Gasse ein und da sass ein kleiner Kater mitten im Weg, als ob er auf mich gewartet hätte. Er blickte mich so seelenvoll an, dass ich nicht anders konnte, als dieses kleine Fellknäul hochzuheben. Zugegeben, er war zuckersüss, aber er roch nach Gosse. Und maunzte so kläglich, als ob er kurz vor dem Verhungern wäre.

Schwarze Katze

Es dauerte keinen Wimpernschlag, da hatte der kleine Kerl mich um seine Krallen gewickelt und ich schmolz dahin. Ich schaute mich um, aber es war niemand da, auch keine Kätzin oder andere Katzenwelpen. Ich blickte in die Innenhöfe und fragte eine Frau, die gerade die Wäsche aufhing, ob sie wüsste, wohin der kleine Kater gehören würde. Sie lachte nur und meinte, er würde keinem gehören, ein Strassenkater eben, wie es so viele gäbe.

Ich schaute in seine Augen und fragte mehr mich als ihn „Was machen wir nur mit dir, kleiner Mann?“ und hörte eine Stimme in meinem Kopf „Mich füttern was sonst? Ich habe dich ausgesucht und du bist nun für mich verantwortlich.“

Langsam verblüffte mich nichts mehr hier, wobei, das war gelogen. Tarcania verblüffte mich ständig und das sollte sich bis zu meiner Abreise nicht ändern. Gut, ich konnte mich offensichtlich hier telepathisch mit mindestens einem Tier verständigen. Warum auch nicht? Das könnte spannend werden.

„Du hast mich also ausgesucht. Und wie heisst du?“ „Du musst mir einen Namen geben, denn ich bin dein Seelenbegleiter und du bist für mich verantwortlich.“, schnurrte das Katerchen.

Nun, er war schwarz und seine Pfoten waren weiss. „Was hältst du von Socks?“ In der typischen Katzenart meinte er „So gut wie jeder andere Name. So soll es sein. Und jetzt knurrt mir der Magen. Was gibt es zu fressen?“

Für die Mäusejagd war er noch zu klein und da er nun offensichtlich mein Seelenbegleiter war, war ich wohl zuständig. Die Hoffnung, dass er so anspruchslos wie unsere Hofkatzen wäre, sollte sich nicht erfüllen.

Socks kletterte auf meine Schulter und so ging ich mit meinem neuen Freund zurück zur Gilde. Unterwegs machte ich mir einige Sorgen, denn ich hatte keine Ahnung, wie Leonora oder Sereina auf Socks reagieren würden.

Kurz vor Sonnenuntergang war ich wieder zurück und Sereina erwartete mich bereits. Als sie Socks auf meiner Schulter sah, grinste sie. „Du hast jetzt schon deinen Seelenbegleiter gefunden, das ging ja schnell. Einige von uns haben so besondere Tiere, die meisten Menschen jedoch nicht. Dass du gerade eine Katze hast, wenn auch eine sehr junge, zeigt, dass du wirklich die Auserwählte bist.“ Ich seufzte schicksalsergeben. „Mach dir keine Sorgen wegen Leonora. Sie weiss es und sie selbst hat einen Seelenbegleiter, genau wie ich. Meiner ist eine Schildkröte. Eines musst du wissen: Verrate nie und unter keinen Umständen irgendeinem Wesen den Namen deines Seelenbegleiters. Den darfst nur du kennen. Sprich ihn nie laut aus, denn du weisst nie, wer zuhört. Das ist wirklich wichtig.“ Sereina wurde sehr ernst und ich nahm mir ihre Worte zu Herzen und versprach ihr, diese Regel zu befolgen.

„Und nur du kannst die Stimme deines Seelenbegleiters hören. Wenn er dich gerufen hat, dann gehört ihr wirklich und wahrhaftig zusammen. War es so?“ Ich nickte. „Wenn es dir leichter fällt, dann kannst du ihm einen zweiten, einen öffentlichen, Namen geben. Das macht vieles einfacher.“, grinste sie.

„Und jetzt kommt ihr beiden, das Essen wartet.“

Anmerkung von Ivana:

Als ich Bobbies „Trick“ gelesen habe, wie sie manchem exotischen Essen entgangen ist, musste ich grinsen. Diese Ausrede habe ich auch oft verwendet, wenn mir das Essen zu suspekt war. Ich erinnere mich da an ein undefinierbares Gericht in Jodanien und auch da wurde die Begründung, dass ich es aus religiösen Gründen nicht essen konnte, akzeptiert.
Ich wollte ebensowenig wie Bobbie die Gastgeber vor den Kopf stossen, aber im Orient und auch oft in Asien wird diese Erklärung verstanden. Und es war unglaublich, wie gut unter solchen Umständen 2 Tage altes Fladenbrot mit Streichkäse schmecken konnte…

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