Ich schlief lange und traumlos, ich war einfach zu erschöpft von dem Sturm, meiner Bruchlandung, meinem Marsch und dann kam noch dazu, dass ich angeblich zwischen den Dimensionen gestrandet wäre. Das war definitiv etwas, über das ich noch mit Marcus sprechen müsste.

Das Bett war hart, aber ich hatte schon an unbequemeren Stellen geschlafen. Ich erinnere mich da an einen Tempel in Nepal, als ich auf dem Boden mit unzähligen Pilgern schlief, nur um bei Sonnenaufgang an einem heiligen Ritual teilnehmen zu dürfen. Das hatte mich schon immer an Indien und Nepal fasziniert – dass auch Andersgläubige bei ihren heiligen Zeremonien dabei sein dürfen, wenn sie sich angemessen verhalten. Ich möchte ja nicht wissen, was sich meine lieben Falkensteiner denken würden, wenn ein Nepali oder Inder beim Gottesdienst auftauchen würde… Aber ich schweife ab…

Auch wenn mein Lager hart war und ich meine Knochen spürte, ich war einigermassen erfrischt. Dennoch dauerte es ein paar Momente, bis ich mir bewusst wurde, wo ich überhaupt war. Tarcania, gefangen zwischen den Dimensionen. Puh, das war immer noch schwer zu glauben.

Ich steckte mich und wusch mich mit dem kalten Wasser, das in der Schüssel auf der Kommode stand. Weder Indien noch Nepal haben mich umgebracht, da würde ich auch Tarcania überstehen. Und ja, das kalte Wasser half dabei, wirklich wach zu werden.

Ich verliess meine Kammer und ging die Treppe hinunter. Marcus war schon auf den Beinen und lächelte mir freundlich zu. Es waren erst wenige Menschen im „Goldenen Krug“ und alle betrachteten mich ziemlich interessiert.

Gut, wenn das stimmen sollte, was Marcus mit gestern Abend gesagt hatte, dann war ich tatsächlich etwas Ungewöhnliches, aber konnte das wirklich sein?

Ich setzte mich an meinen Tisch und Marcus kam mit etwas Brot, Käse und verdünntem Wein. Ich erinnerte mich… verdünnter Wein und verdünntes Bier waren früher deutlich gesünder als Wasser, das in der Regel ziemlich verseucht war. Zum Waschen des Gesichts völlig in Ordnung, aber Wasser trinken war dagegen lebensgefährlich. Tee oder Kaffee schienen die Tarcanier nicht zu kennen oder es war, wie früher in Europa, ein absoluter Luxusartikel.

Na gut, verdünnter Rotwein zum Käse, das passte immerhin, und ich griff zu, denn ich wusste nicht, was mich noch an diesem Tag erwartete.

Frühstück im Goldenen Krug

Nachdem ich mich gestärkt hatte, griff ich in meine Tasche und zog meine geliebten Tarot-Karten heraus. Ich hatte sie erst vor wenigen Monaten in Kairo nach einer langen Verhandlung mit viel starkem und süssen Pfefferminz-Tee und noch mehr Gejammer seitens des Händlers erstanden. Am Ende sind wir als Freunde – soweit man das mit einem ägyptischen Händler sein kann – auseinander gegangen. Ich kannte seine ganze Lebensgeschichte, die Eifersuchtsdramen seiner 3 Ehefrauen und das Gezänk seiner 11 Kinder, aber wir hatten Spaß am Feilschen gehabt. Und wenn nur die Hälfte davon stimmen sollte oder ein Drittel, der arme Kerl war zu Bedauern.

Seit diesem Tag habe ich jeden Tag die Karten gelegt. Naja, ich weiß nicht, ob man das wirklich Karten legen nennen kann. Ich habe sie gemischt, mal eine, mal drei gezogen und sie angeschaut. Um ehrlich zu sein, ich wusste nicht wirklich etwas damit anzufangen, aber die Bilder zogen mich in ihren Bann. So unterschiedliche Figuren wie der Narr, der Magier oder die Mässigkeit oder diese Szenen, in denen zum Beispiel eine gefesselte Frau mit einer Augenbinde zwischen Schwertern stand.

Die Karten brachten irgendetwas in mir zum Klingen, auch wenn ich noch nicht sagen konnte, was.

Ich mischte die Karten, fächerte sie vor mir aus und zog eine. Es war der Narr, meine Lieblingskarte. Ich fühlte mich ihm schon immer verbunden und ganz besonders heute. Er zog hinaus in die Welt, ohne Plan, offen, bereit, sich auf das Abenteuer einzulassen, das ihn erwarten sollte. Er hatte nur ein kleines Bündel dabei, genau wie ich. Doch er hatte mit dem kleinen weissen Hund einen treuen Begleiter. Ich dagegen war allein.

Narr im Tarot

Ich beschloss, mir den Narren als Vorbild zu nehmen und mich auf Tarcania einzulassen, ganz ohne Vorurteile, offen, neugierig. Das war ja auch tatsächlich ich, wenn ich unterwegs war, sei es im Orient oder in Indochina. Auf meinen Reisen war ich immer der Narr, naiv, aufgeschlossen, mir nicht wirklich aller Gefahren bewusst, ein wenig blauäugig, aber wild entschlossen, alles in mich aufzunehmen und jeden Tag zu geniessen, neue Erfahrungen zu machen und zu lernen.

Ich blickte immer noch versunken auf den Narren, als sich Marcus zu mir setzte.

Er saß schweigend da, bis ich ihn bemerkte und ihn fragte, was denn los sei. Er schaute mir tief in die Augen und sagte „Bobbie, du bist eine Auserwählte. Deine Seele war schon vor dir in Tarcania, dein Körper ist ihr nur gefolgt.“

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Ich war ehrlich gesagt etwas überrascht. Was sollte das? Was wollte Marcus mir damit sagen?

Er deutete auf die Karten und sah mich an. „Hier gibt es eine Gilde, eine Tarot-Gilde, und du solltest mit ihrer Meisterin sprechen. Dann wird dir vieles klar werden. Für uns in Tarcania gehören diese Karten zum Leben dazu, aber in deiner Welt werden sie noch nicht ernst genommen, noch nicht als das gesehen, was sie wirklich sind – ein Tor, eine Brücke zur Seele. Es ist tatsächlich etwas Besonderes, dass gerade du nach Tarcania gekommen bist, mit deinen Karten. Du wirst die Vermittlerin sein und die Weisheit der Karten in deine Welt tragen.
Es gibt eine Geschichte, du magst es eine Prophezeiung nennen, dass eines Tages eine Fremde nach Tarcania kommen wird und lernt, die Karten mit dem Herzen zu lesen. Doch sie wird nicht bleiben, sondern nach 3×78 Tagen wieder in ihre Heimat zurückkehren. Bobbie, ich bin sicher, du bist diese Fremde.“

Ehrlich gesagt, ich war nach diesen Worten ziemlich sprachlos und starrte Marcus nur an. Ich – eine Auserwählte, ein Teil einer Prophezeiung? Ehrlich nicht… ich lachte laut auf und da mag auch der verdünnte Wein, den ich erst einmal auf nüchternen Magen getrunken hatte, seinen Anteil dazu beigetragen haben.

Doch Marcus blieb ernst. „Gehe zur Gilde und spreche mit der Meisterin.“

Ich mochte Marcus und er hatte es nicht verdient, von mir ausgelacht zu werden. Ich schluckte meine spöttische Bemerkung, die mir gerade auf der Zunge lag, herunter. „Gut, Marcus, du warst so unglaublich freundlich und hilfsbereit zu mir. Ich werde zur Gilden-Meisterin gehen und mit ihr sprechen. Doch wie kann ich dir für das Essen und das Nachtlager danken, mich erkenntlich zeigen?“

Marcus winkte ab „Wenn die Gilde-Meisterin in dir die Auserwählte erkennt, dann bin ich glücklich, dass ich dich unterstützen durfte. Das ist Lohn genug für mich. Doch wenn es dir ein Bedürfnis ist, dann lege mir die Karten, bevor du wieder in deine Heimat aufbrichst, nach 3×78 Tagen.“

Marcus beschrieb mir den Weg zur Gilde und ich schnappte mir meine Tasche und meine Karten. Wir umarmten uns wie alte Freunde und ich machte mich auf den Weg zur Tarot-Gilde.

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Hinweis: Rider-Waite-Smith-Deck, gemeinfrei, weil die urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.

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