Ich wachte auf, als ich ein Treten auf meinem Rücken spürte. Im ersten Moment wusste ich nicht, wo ich war und was diese kleinen Nadelstiche zu bedeuten hatten, aber dann hatte ich Schnurrhaare im Gesicht. Socks…. Stimmt… ich hatte seit gestern eine Katze und der kleine Kerl gab mir einen ziemlich heftigen Kopfstüber, nachdem er aufgehört hatte, auf meinem Rücken mit ausgefahrenen Krallen zu treteln.
„Ja, ich bin ja wach“, murrte ich. Eine Frühaufsteherin war ich noch nie und am Morgen viel reden war nicht wirklich meins. Ich genoss am liebsten meine erste Tasse Tee schweigend und wollte nicht wirklich angesprochen werden. Socks gab mir noch einen Kopfstoss und sprang elegant vom Bett herunter.
„Los, raus mit dir, du Schlafmütze. Die Glocke hat bereits acht Mal geläutet.“ Ich erinnerte mich – in einer Stunde sollte ich bei Leonora sein. Ich schlüpfte in meine neue Kleidung, spritzte mir das kalte Wasser ins Gesicht und machte mich fertig.
Socks stand schon an der Tür und wollte sein Frühstück. Nur – was frass er eigentlich noch ausser kaltem Huhn? Für die Mäusejagd war er noch zu klein. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Speisesaal und ich war froh, dass Socks einen guten Orientierungssinn hatte. Raubtier eben, wenn auch noch recht klein und niedlich war.
Es dauerte nicht lange, bis wir im Speisesaal ankamen. Am runden Tisch sass niemand und ich war mir nicht sicher, ob ich mich wirklich dort hinsetzen sollte, aber Socks spazierte ganz selbstverständlich hin und blickte mich auffordernd an. Und ja, gestern hatte Sereina gesagt, dass dieser Tisch für die vier Pagen und mich reserviert sei.
Kaum hatte ich mich gesetzt, da schwebte schon die blonde Küchenfee von gestern heran und fragte mich, was ich denn zu Essen wünschte. Ich fragte nach Tee, Brot und Käse. Den Versuch war es immerhin wert. „Tee? Was meinst du damit?“ fragte sie unsicher. „Ein Aufguss, einfach heisses Wasser und getrocknete Blätter oder Kräuter, “ versuchte ich zu erklären. „Ah, ein Kräutersud, ich verstehe,“ lächelte sie und verschwand. Alles, nur kein Kamillentee, hoffte ich innerlich.
Es dauerte nicht lange, da kam sie mit einer dampfenden Tasse, einem Brett mit Brotscheiben und Käse zurück.
„Das ist für dich und ich hoffe, dir schmeckt Gharbia. Das ist ein Kräutersud aus Waldsalbei, Schimmerminze und Drachenkraut. Manchmal kommen noch andere Kräuter dazu, aber das ist die traditionelle Mischung. Und für deinen kleinen Freund habe ich etwas Quark mitgebracht. Wie heisst er eigentlich?“ Ich erinnerte mich an Sereinas Warnung, nie den echten Namen zu verraten. „Kelo“ antwortete ich spontan. Socks schaute mich an und ich hätte schwören können, dass er eine Augenbraue nach oben zog. Können Katzen das überhaupt?
„Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt, ich bin Elara,“ sagte sie und stellte das Schälchen mit dem Quark auf den Boden. Socks stürzte sich genüsslich auf sein Frühstück. „Ich bin Bobbie,“ antwortete ich. „Ich weiss,“ lächelte Elara und verschwand.
Etwas kritisch probierte ich das heisse Getränk, Gharbia. Es schmeckte bitter und doch ein wenig süss, ein sehr besonderer Geschmack. Nun gut, wenn es das war, was hier Tee am nächsten kam, dann würde ich mich wohl daran gewöhnen.
Ich beeilte mich mit dem Frühstück, denn die Glocke hatte bereits drei Mal geschlagen. Ich vermutete, dass es Dreiviertel war, so wie bei mir Zuhause. Es wurde langsam Zeit, dass ich mich auf den Weg zu Leonora machte.
Ich wollte gerade los, als die Pagen der vier Königreiche den Speisesaal betraten. Auf eine weitere Auseinandersetzung mit Cal hatte ich wirklich keine Lust, also grüsste ich alle freundlich.
„Wohin so schnell?“ fragte Sereina und ich antwortete, dass ich beim neunten Glockenschlag von der Gilde-Meisterin erwartet wurde. Ich sah in verblüffte Gesichter und machte mich auf den Weg.
Ich hätte eigentlich Sereina nach dem Weg fragen wollen, aber ich wollte mir vor Cal nicht die Blösse geben, dass ich den Weg nicht kannte.
Tja, da stand ich nun im Gang und alle sahen gleich aus. „Worauf wartest du?“ fragte mich Socks und lief zielsicher einen der Gänge entlang.
„Du weisst, wo Leonoras Zimmer ist?“ „Natürlich, für wen hältst du mich?“ schnurrte Socks mit einer gewissen Genugtuung in seiner Stimme.
Ich hatte beim besten Willen keine Ahnung, woher dieser kleine Strassenkater sich in der Gilde auskannte, aber ich hatte nicht wirklich eine Wahl und so vertraute ich ihm einfach. Da ich keine bessere Idee hatte und auch keinen Menschen sah, den ich hätte fragen können, folgte ich Socks. Irgendwann würde er es mir erklären müssen, aber jetzt musste ich mich beeilen.
Mit dem letzten Glockenschlag klopfte ich an die schlichte Holztüre, die ich wiedererkannte. Sie schwang auf und ich trat ein, natürlich in Begleitung von Socks.
Leonora war heute schlichter gekleidet als bei meinem ersten Besuch und wirkte sehr beschäftigt.
„Ah,“ lächelte Leonora, „du hast bereits deinen Seelenbegleiter gefunden. Wie heisst er denn?“ Ich sollte wirklich niemand den wahren Namen verraten und das schloss Leonora mit ein.
„Kelo. Ich habe ihn gestern in der Stadt gefunden und er hat mit mir gesprochen. Von Sereina habe ich erfahren, dass das etwas Besonderes ist und wir uns auf diese Weise nur mit unseren Seelenbegleitern verständigen können.“
„Ja, das stimmt,“ nickte Leonora, „und ich bin froh, dass du die erste Lektion bereits gelernt hast und mir nicht seinen wahren Namen verraten hast. Falls du dich fragst, woher ich das weiss – es ist einfach so.“
Leonora wurde wieder ernst. „Ich habe auch vom gestrigen Zwischenfall mit Calvin gehört und ich werde auch noch mit ihm sprechen. Aber ihr werdet einen Weg finden, wie ihr zusammenarbeiten könnt. Ich dulde keinen Streit zwischen meinen Schülern. Es ist weder eines Pagen noch einer Auserwählten aus der Aussenwelt würdig. Ich weiss, dass er nicht einfach ist und du wirst noch viel über Tarcania lernen müssen.“
Ich schluckte und fühlte mich in meine Kindheit zurückversetzt, als mich mein Vater wegen eines albernen Streites mit einem der Dorfkinder gemassregelt hat. Er hatte fast dieselben Worte benutzt „Es ist deiner nicht würdig, Bobbie, dich mit ihnen zu streiten.“
Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen? Cal und ich würden wohl nie die besten Freunde werden, aber ich würde mir Mühe geben müssen und die Contenance wahren.
„Wenn das soweit geklärt ist, dann kommen wir zum eigentlichen Grund für dieses Gespräch. Du brauchst eine Grundausrüstung. Sie zu besorgen ist deine Aufgabe, die du in den nächsten drei Tagen zu erfüllen hast. Danach beginnt die Ausbildung, zumindest der erste Teil.
Du wirst zum Gildeschmied gehen und dein Schwert auswählen. Danach wirst du dir einen Stab besorgen, einen Kelch töpfern und mindestens eine Silbermünze verdienen. Wie du das anstellst, das bleibt dir überlassen. Dass du dein Schwert bekommst, ist mein Geschenk an dich und ein Zugeständnis, weil du aus der Aussenwelt kommst.“
„Aber wie soll ich das machen? Ich kenne hier doch niemand ausser Sereina, Marcus und den anderen Pagen. Und was geschieht, wenn ich es nicht schaffe?“
Leonora blickte mich streng an.
„Warum verschwendest du deine Energie und deine Gedanken jetzt schon ans Scheitern, obwohl du noch gar nicht angefangen hast? Sollte ich mich in dir täuschen? Ich habe dich für eine Kämpferin gehalten. Und jetzt geh. Der Schmied wartet auf dich.“ Damit wandte sie sich wieder ihren Unterlagen zu. Ich war entlassen.
Ich verliess den Raum und Socks folgte mir. Als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, atmete ich erst einmal tief durch. Ich spürte, wie Wut, Zorn und eine gewisse Hilflosigkeit in mir hochstiegen.
Ich war keine sieben mehr, aber ich fühlte mich so. Ich war in Tarcania gestrandet, wusste nicht, wie ich nach Hause kommen sollte und all die Euphorie des gestrigen Nachmittags war verflogen. Mir war heiss und kalt gleichzeitig und ich hätte am liebsten lauf aufgeschrien und das wäre sicher auch nicht meiner würdig gewesen. Aber es hätte bestimmt gut getan.
Für mich schien es nur einen Weg zu geben – vorwärts und nicht versagen.
Socks rieb sein Köpfchen an mein Bein und schnurrte. Ich hob ihn hoch und er liess es über sich ergehen, dass ich meinen Kopf an seinen rieb.
„Komm schon, lass uns den Schmied aufsuchen, damit du dein Schwert bekommst“ forderte mich Socks auf. „Ich weiss, wo wir ihn finden.“
„Woher kennst du dich eigentlich in der Gilde aus?“ fragte ich ihn. Er grinste – sofern eine Katze das überhaupt kann, und meinte belustigt „Ich bin ein echter tarcanischer Kater. Wir haben nicht nur einen siebten Sinn, sondern noch ganz andere Fähigkeiten. Das würde jetzt aber zu weit führen, lass dich überraschen. Doch für´s Erste vertraue mir. Und jetzt lass mich wieder auf den Boden. Das reicht mir jetzt an Körperkontakt.“
Ich liess Socks auf den Boden gleiten und folgte ihm.
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