Wir trafen gerade rechtzeitig bei Sonnenuntergang im Speisesaal ein. Alle Pagen sassen schon am Tisch und unterhielten sich ganz angeregt. Als sie mich sahen, verstummten die Gespräche. Ich fühlte mich wie eine Aussenseiterin und nur Sereina lächelte mir aufmunternd zu. Offensichtlich hatte Cal schon entsprechend Stimmung gegen mich gemacht. Gestern Abend hatte ich das Gefühl, dass Amir und Trisha neugierig waren, heute wirkten sie etwas frostiger.

Ich setzte mich auf meinen Stuhl und Socks sprang auf meinen Schoss. Das wurde mit einem missbilligenden Ausatmen von Cal zur Kenntnis genommen, aber er sagte nichts. Elara tauchte auf und ich bestellte wieder Huhn für Socks und fragte nach Brot und Käse für mich.

Ein langer Tag lag hinter mir und ich hätte gedacht, dass ich hungriger wäre, aber die kühle Stimmung am Tisch schlug mir mehr auf den Magen als gedacht.

Langsam kamen die Gespräche wieder in Gang und die Pagen unterhielten sich über ihren Tag, der mit Schwertkampf-Training und Studien angefüllt war. Wie sollte ich all das Wissen aufholen? Ich hatte noch nicht einmal den Hauch einer Ahnung über Tarcania, kaum Wissen über Tarot und wer weiss, was ich noch alles lernen sollte. Ja, Leonora hat etwas von einer Ausbildung erwähnt, sobald meine Ausrüstung vollständig war und dann war noch die angekündigte Reise durch Tarcania. Ich fühlte mich überfordert, hing meinen Gedanken nach und kaute ziemlich lustlos auf meinem Brot herum.

So aufregend ich Tarcania bei meiner Ankunft gefunden habe, nun fühlte ich eine bleierne Schwere. Ich wollte eigentlich nur nach Hause, aber das war im Moment unmöglich. Ich musste mich fügen und meine Aufgabe hier erfüllen, was auch immer das sein sollte. Vorher würde ich nicht nach Hause zurückkehren, das hatte Leonora unmissverständlich klar gemacht. Und dass ich auch irgendwie mit den anderen Pagen zurechtkommen müsste. Ich fragte mich, was die grössere Herausforderung sein würde.

Irgendwann war ich endlich fertig und hatte kaum mitbekommen, dass alle Pagen bis auf Sereina gegangen waren.

„Komm, lass uns einen ruhigen Ort suchen und ich erzähle dir ein wenig über die Königreiche und die Pagen, damit du uns etwas besser verstehst.“ Sereina stand auf und zog mich mit sich. Ich hatte eigentlich gar keine Lust auf ein Gespräch, aber sie war immer nett zu mir und ich wollte sie nicht vor den Kopf stossen. Also ging ich mit. Wir gingen schweigend durch verschlungene Gänge und Arkaden, bis wir zu einem Pavillon in einem Park kamen. Er war rund, von Efeu überwuchert und wirkte sehr verwunschen. Ich wollte schon darauf zusteuern, aber Sereina zog mich lachend weiter. „Nein, hier hätten wir sicher keine Ruhe, denn das ist ein beliebter Treffpunkt für Pärchen, sogar aus der Stadt, wenn sie mutig genug sind, um sich auf das Geländer der Gilde zu trauen.“

Springbrunnen im Park

Ein paar Minuten später kamen wir zu einem kleinen Springbrunnen. Das Wasser plätscherte fröhlich in das steinerne Becken und daneben war eine Steinbank. „Hier haben wir unsere Ruhe und durch das Geplätscher ist es auch schwierig zu hören, was ich dir erzählen will. Keine Angst, ich verrate dir keine Geheimnisse, aber es muss ja nicht jeder mitbekommen, dass du noch nicht viel über uns weisst.“ Sereina setzte sich und ich mich neben sie. Es konnte ja nicht schaden…

„Wie du schon mitbekommen hast, besteht Tarcania aus der Stadt Tarcania, in der wir uns gerade befinden und den vier Königreichen. Tarcania hat eigentlich eine Stadtregierung, aber die wahre Macht liegt bei der Gilde und damit bei Leonora als Gilde-Meisterin, den Archontes und Archontinnen. Das sind die Oberhäupter der einzelnen Lehrstühle. Du wirst in deiner Ausbildung sicher einige davon kennenlernen, je nachdem, was Leonora für notwendig hält. Sie selbst ist als Gilde-Meisterin die Archontin des Tarot.

Ich denke, du wirst wahrscheinlich auch Enar, den Archonten der Elemente, Meridis, den Archonten der Numerologie und Thaela, die Archontin der Geschichte der Tarocciari kennenlernen.

Es gibt noch Lysar, den Archonten der Astrologie, Isera, die Archontin der Naturmagie, Tharon, den Archonten der zeremoniellen Magie, Myrella, die Archontin der Kräuterkunde und noch ein paar Nebengebiete wie Symbolik, Mystik und so weiter, aber das sind Bereiche, die noch nicht einmal den Rittern offenstehen, sondern nur den Königinnen und Königen der Reiche.

Lysar ist übrigens der Vertreter von Leonora, wenn sie auf Reisen ist oder sich für mehrere Wochen für ihre Studien zurückzieht. Tarot ist kein Wissen, das du einfach so erwirbst. Es braucht viel Zeit, die Karten zu durchdringen, sie zu fühlen, sie zu erleben und zu verinnerlichen. Die Grundprinzipien wirst du schnell lernen, genau wie die Grundlagen der anderen Bereiche, aber es bedarf einen langen Studiums, um sie wirklich zu verstehen.“

Ich seufzte – ich und mein Namensgedächtnis und die Namen waren für mich alles andere als einfach zu merken. Sereina grinste. „Du schaffst es schon. Je nachdem, aus welchem Königreich wir kommen, sind diese Namen auch für uns ungewöhnlich.“

Doch bevor wir zu Bett gehen, will ich dir noch etwas über die vier Königreiche und die Pagen erzählen.

Wir Pagen stehen in der Hofhierarchie ganz unten. Über uns stehen die Ritter, dann die Königinnen und die Könige. Auch wenn wir alle von königlichem Blut sind, haben wir in der Gilde kaum Privilegien. Die einzigen sind, dass wir einen eigenen Tisch haben, von den Achontes direkt unterrichtet werden und dann, nach unserer Ausbildung, durch alle Königreiche reisen. Wie du gesehen hast, werden in der Gilde auch andere talentierte junge Frauen und Männer unterrichtet. Nach ihrer Grundausbildung spezialisieren sie sich. Wir dagegen müssen viel mehr lernen.“

„Aha, ich verstehe,“ sprang ich dazwischen, „daher ist Cal sauer. Ich bin eine normale junge Frau, komme aus keinem Königshaus, sondern aus der Aussenwelt und soll auch noch die Auserwählte sein. Leonora setzt mich zu euch an den Tisch und er fühlt sich irgendwie bedroht oder herausgefordert.“ Sereina nickte. „Genau. Einige Pagen bilden sich ziemlich was auf ihre Herkunft ein und fühlen sich als etwas Besseres. Das ist aber nicht im Geist von Tarcania. Ich bin sicher, mit der Zeit wird dich Cal respektieren und die anderen beiden, Amir und Trisha, sind auch neu hier. Sie lassen sich noch beeinflussen und halten sich an das Bekannte. Mach ihnen keinen Vorwurf.“ Ich schüttelte den Kopf.

Stadt in den Wolken

„Lass mich dir noch ein wenig über die Königreiche erzählen, damit du einen kleinen Überblicke bekommst.“ setzte sie fort. „Im Osten liegt Sapiaria mit der Hauptstadt Vindgard. Das Besondere ist, dass manche Orte auf fliegenden Inseln liegen. Doch der meiste Teil des Landes ist ziemlich bergig und ständig bläst ein kühler Wind. Manche Gipfel sind das ganze Jahr von Schnee und Eis bedeckt Das hat natürlich auch Einfluss auf die Menschen. Sie sind sehr klar, sehr direkt, sehr ehrlich, sehr logisch und manchmal auch ein wenig arrogant. Sie sind die Denker von Tarcania und wenn du anfängst, mit ihnen zu diskutieren, dann solltest du dich wirklich gut vorbereiten, denn sonst setzen sie dich ausser Gefecht, wie ein Skorpion, der schnell und präzise zusticht. Es ist nicht leicht, sie für dich zu gewinnen, aber das hast du ja schon gemerkt.“

Ich grinste, aber ich dachte bei mir, dass Sapiaria wahrscheinlich nicht mein bevorzugtes Königreich sein wird. Ich mochte keine Berge und auch keinen Schnee. Das war einer der wenigen Punkte, die ich auch an meiner Heimat nicht wirklich mochte.

Stadt in Wüste

„Im Süden liegt Salahara mit der Hauptstadt Saffirah. Dort ist es heiss, staubig und ein grosser Teil des Landes besteht aus Wüste oder Steppe. Die Menschen sind sehr leidenschaftlich, aber auch schnell reizbar. Sie lieben ihre Freiheit und das Abenteuer. Manchmal handeln sie schneller als sie denken und sie lassen sich schnell begeistern. Doch genauso rasch verfliegt oft ihre Begeisterung und sie springen weiter, zu etwas Neuem, das sie herausfordert und für den Moment ihre Aufmerksamkeit fesselt. Viele Krieger stammen aus Salahara, aber auch viele Schmiede und Werkzeugmacher, denn Feuer ist ihr Element. Du hast schon Hephon, den Schmied kennengelernt. Er stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe der Hauptstadt.

Stadt am Meer

Im Westen liegt Reviria und die Hauptstadt heisst Neralis. Dort ist es wunderschön und die meisten Orte liegen an Lagunen oder an Flüssen. Hier sind viele unserer Dichter, Maler, Sänger, Musiker und andere Künstler Zuhause. Du kannst in Reviria die Zeit vergessen, wenn du am Meer sitzt und den Sonnenuntergang betrachtest oder in einer der Quellteiche badest. Die Menschen sind sehr freundlich, sehr empathisch und das ist mir manchmal ein wenig unheimlich. Ich habe immer das Gefühl, dass sie mir in die Seele blicken und mehr wissen, als ich eigentlich zeigen will. Doch wenn du zu dir finden willst und nicht die rauen Berge von Sapiaria vorziehst, dann ist Reviria ein perfekter Ort.

Dorf zwischen Feldern und Wäldern

Ich komme aus dem Reich im Norden, Crescendoria und unsere Hauptstadt trägt den wunderbaren Namen Dunvara.“ Serainas Augen begannen zu leuchten, als sie von ihrer Heimat sprach. „Es ist ein grünes Land mit vielen Wäldern und kleinen Dörfern, die von fruchtbaren Feldern umgeben sind. Wir sind die Kornkammer von Tarcania und versorgen es zu einem grossen Teil. Manche sehen uns nur als dumme Bauern, aber sie lieben unsere Brote, das Fleisch unserer Rinder und die schönen Blumen, die ihre Säle schmücken. Wir sind zurückhaltend und lernen dich erst einmal kennen, bevor wir uns öffnen. Doch wenn du unser Herz erobert hast, dann hast du die treuesten Freunde, die du dir vorstellen kannst. Wir nehmen uns Zeit für die wirklich wichtigen Dinge, lassen aber den Dingen auch ihre Zeit, denn alles hat seine Zeit.

Ich glaube, das reicht erst einmal für den Anfang Bobbie. Wenn du Fragen hast, kannst du immer zu mir kommen. Ich bin für dich da.“ Sereina umarmte mich voller Wärme und ich war mir sicher, dass ich tatsächlich eine Freundin in ihr gefunden habe.

Inzwischen war es dunkel und kühl geworden. Mit schnellen Schritten kehrten wir in das Hauptgebäude zurück, wo sich unsere Wege trennten und wir unsere Schlafgemache aufsuchten.

Was für ein ereignisreicher Tag! Ich wusch mich noch schnell, bevor ich müde ins Bett sank und spürte beim Einschlafen, wie sich Socks an meinem Rücken zusammenrollte.

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